Bundesregierung bestätigt: teure IT-Umstellung geplant

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Vor zwei Wochen fragte die SPD-Bundestagsfraktion unter Federführung von Oliver Kaczmarek die Bundesregierung, ob diese plane, ihre IT-Infrastruktur im Auswärtigen Amt von freie Software auf proprietäre Software umzustellen (siehe Blogpost). Sollte dies der Fall sein, wäre diese Umstellung nicht nur teuer, sondern auch unnötig und gefährlich für die IT-Sicherheit. Die Bundesregierung hat nun geantwortet und bestätigt diese Vorhaben. Eine Exegese eines politisch verschleierten Textes.

Die Antwort auf die Kleine Anfrage unterstreicht die Vermutung, dass ein Wechsel auf proprietäre und somit unfreie Software durchgeführt wird. Oliver Kaczmarek berichtet auf seinem Blog von der Antwort der Bundesregierung und bietet ebenfalls die Antwort im Wortlaut an. Ich habe mir mal den Text der Bundesregierung genau angeschaut. Auf den ersten Blick scheint für einen Laien alles in Ordnung zu sein; schaut man sich die Antworten jedoch genau an, werden die Befürchtungen bestätigt.

Zur Antwort auf Frage 2

Die Bundesregierung beschreibt, dass das Potential der Einsparungen durch den Einsatz von freier Software nicht in vollem Umfang ausgeschöpft werden konnte. Es entstanden, so die Bundesregierung, Kosten für die Entwicklung von Scanner- oder Druckertreibern, da diese am Markt nicht verfügbar waren. Auch andere Kosten wie Schulungen waren zuvor nicht eingerechnet.

Ob die Einsparungen tatsächlich nicht im vollen Umfang erzielt werden ist möglich. Dennoch: Das Auswärtige Amt war das deutlich günstigste Ministerium in Bezug auf die IT-Kosten (siehe Artikel von heise online).

Zur Antwort auf Frage 3

Hier ist für den weiteren Verlauf vor allem folgende von der Bundesregierung gemachte Definition interessant:

Es hat sich jedoch gezeigt, dass Aufwendungen für Anpassungen und Erweiterungen durch selten bereits vorhandene Treiber und Schnittstellen höher sind als beim Einsatz von weit verbreiteten proprietären Produkten (Standardsoftware). (Hervorhebungen von mir)

Es gilt somit für Schwarz-Gelb: Standardsoftware entspricht proprietärer Software. Ebenso ist anzumerken, dass es tatsächlich Hardware gibt, für die noch keine Treiber für freie Betriebssysteme existieren. Eine einmalige Erstellung eines oder mehrerer Treiber ist aber deutlich günstiger als die generelle Nutzung von proprietären Systemen. Ebenso ist es durch eine Beauftragung von Firmen zur Erstellung von Treibern, etc. möglich, Wirtschaft und Mittelstand vor Ort einzubinden und zu fördern.

Zur Antwort auf Frage 4

Die Bundesregierung antwortet mit der vorgelegten Tabelle nicht auf die Frage, inwiefern Einsparungen bei der Nutzung von freier Software im Vergleich zu proprietärer Software vorliegen. Die vorgelegte Tabelle ist nichtssagend, da sie nur die Gesamtausgaben für Informationstechnik der Ressorts angeben. Betrachtet man, dass das Auswärtige Amt durch die Vernetzung mit Botschaften weltweit besondere Anforderungen zu meistern hat, sind die IT-Ausgaben beim Einsatz von freier Software im Vergleich zu anderen Ressorts äußerst gering.

Zur Antwort auf Frage 6

Die Bundesregierung antwortet bei der Frage einer „Standardisierung“ ausweichend. So wird zukünftig anscheinend weniger die Nutzung von freien Formaten angestrebt (wie es beim Beispiel ODF in der Vergangenheit geschehen ist), sondern das primäre Ziel scheint eine „Standardisierung der IT-Systeme“. Wir erinnern uns, was Schwarz-Gelb mit „Standard“ genau meint…

Nach Auffassung der Bundesregierung muss die Standardisierung so erfolgen, dass Marktentscheidungen zwischen unterschiedlichen Geschäftsmodellen der Hersteller nicht einseitig beeinflusst werden.

Auf Lösung von freier Software wird nicht eingegangen.

Zur Antwort auf Frage 8

Die entscheidenden Antwort und eine Bestätigung meiner Vermutung findet sich explizit in der Antwort zur Frage 8.

Je nach zu erfüllender Anforderung wird die passende Lösung zunächst bei den in der Bundesverwaltung standardisierten (vgl. Definition oben, Anm. von mir) Anwendungen gesucht. Dies bedeutet eine Fortentwicklung der ursprünglichen ausschließlich auf quelloffene Software ausgerichteten IT-Strategie des Auswärtigen Amtes hin zu einer kooperativ ausgerichteten IT-Strategie im Rahmen der gemeinsamen IT-Strategie des Bundes. (Hervorhebungen von mir)

Die Bundesregierung bestätigt damit, dass der Weg der IT-Strategie der freien Software verlassen wird. Die gemeinsame IT-Strategie des Bundes und auch andere Bundesministerien verwenden i. d. R. keine freie Software. Es folgt:

Im Sinne dieser gemeinsamen IT-Strategie strebt das Auswärtige Amt dabei wo immer möglich den Einsatz von standardisierten Lösungen an, so z. B. im Rückgriff auf die entstehenden gemeinsamen IT-Dienstleistungszentrum des Bundes. (Hervorhebungen von mir)

Hier sei erneut auf die Definition von „standardisierten Lösungen“ der Bundesregierung verwiesen.

Im Bereich der IT-gestützten Personalverwaltung beabsichtigt das Auswärtige Amt eine Kooperation mit dem Bundesministerium der Finanzen auf Basis einer proprietären Standardsoftware. […] Die Weiterentwicklung der Client-Systeme wird sich stark an den Benutzerbedürfnissen orientieren. Hier werden standardisierte proprietäre Client-Lösungen eingesetzt. (Hervorhebung von mir)

Für den Laien sei hier erwähnt, dass Client-Systeme vermutlich alle Arbeitsplatzrechner meint. Die Bundesregierung bestätigt, dass hier auf bekannte proprietäre Betriebssysteme und Anwendungsprogramme umgestellt werden soll.

Dies ist eine umfassende Umstellung der IT-Infrastruktur des Auswärtigen Amtes!

Zur Antwort auf Frage 9

Die Bundesregierung schreibt, es seien keine mittelbaren Kosten bei der Umstellung auf „standardisierte“ (proprietäre) Software zu erwarten. „Im Gegenteil“, so die Bundesregierung, „sei mit Effizienzgewinnen zu rechnen“. Die Zahlen, siehe Punkt 4, sprechen eine andere Sprache. Richtig wäre eine komplette Umstellung auf freie Software in allen Bundesministerien.

Zur Antwort auf Frage 11

Die Bundesregierung schreibt zwar, dass keine Unternehmen bei der Weiterentwicklung der IT-Strategie beteiligt seien. Dies mag richtig sein, was die (theoretischen) Überlegungen zur Strategie betreffen. Es folgt dann der entscheidende Satz:

In einzelnen Projekten (siehe Antwort zu Frage 8) werden unterschiedliche Unternehmen mit Teilaufgaben beauftragt.

Da eine dieser Teilaufgaben die komplette Umstellung aller Client-Computer betrifft, handelt es sich dabei um einen Auftrag mit enormen Volumen. Die Bundesregierung antwortet nicht auf die explizite Frage, welche Unternehmen genau beteiligt sind.

Zur Antwort auf Fragen 13, 14 und 15

Die Bundesregierung antwortet, es seien beim Einsatz von proprietärer Software keine besonderen Sicherheitsanforderungen notwendig. Dies halte ich zumindest für diskussionswürdig. Schließlich waren bekannte und große Sicherheitslücken in der Vergangenheit ausschließlich bei proprietären Betriebssystemen bekannt. Als bekanntes Beispiel ist „Stuxnet“ zu nennen, das sich über Windows-Systeme verbreitete.

Fazit

Die Bundesregierung bestätigt, dass sie nicht mehr voll auf freie Software setzen will. Durch geschickte Formulierungen wird das Ausmaß allerdings erst bei der zweiten Betrachtung klar: Alle Arbeitsplatzrechner auf proprietäre Software umzustellen wird vermutlich sehr, sehr teuer. Der ehemalige IT-Chef im Auswärtigen Amt Schuster sprach davon, dass ein „100-Millionen-Projekt“ für die IT-Ausrüstung dank freier Software nur 17 Millionen Euro gekostet hat. Nun wird man wohl die Zahlen umdrehen dürfen.