Heinrich Bröker

Heinz Bröker, mein Opa, hat mir viel beigebracht. Das Fahrradfahren zum Beispiel. Er hat mir außerdem viel über Bäume, Blätter und die Natur vermitteln können – allerdings, ich gebe zu, das hat mich als Kind und Jugendlicher nicht so wirklich interessiert. Interessanter empfand ich die vielen Geschichten, die er erzählte. Die meisten waren spannend, andere lustig, selten waren sie traurig.

Es gab eine Geschichte, die er mir erzählte und die für mich die prägendste war. Als Soldat erhielt er jeden Tag die Standard-Verpflegung: dazu gehörten auch täglich einige Zigaretten. „Ich hatte auf meiner Stube jemanden, der war ganz verrückt nach Zigaretten – ich habe ihm daher meistens meine gegeben“, erzählte er mir.

Ich kann mich an die Situation noch genau erinnern. Wir saßen am Küchentisch und ich war, wie fast jeden Tag während meiner Grundschulzeit, zum Mittagessen bei meinen Großeltern. Ich fragte ihn: „Und was hat er dir als Gegenleistung für die Zigaretten gegeben?“.

„Nichts!“, bekam ich als Antwort zu hören und war etwas verdutzt.

Aber die Geschichte war noch nicht zu Ende. So erzählte er mir: „Als ich später in britische Gefangenschaft geriet, war eben genau mein ehemaliger Stubenkamerad bei den Engländern dafür zuständig, die Verpflegung an die Gefangenen auszuteilen. Sie brauchten schließlich Leute, die deutsch sprechen konnten. Als er mich sah musste er sich wohl daran erinnert haben, dass ich ihm zuvor meine Zigaretten gegeben hatte. Und fortan hatte ich Glück: ich bekam von ihm die doppelte Ration zu Essen.“

„Henning“, sagte er, „wenn du jemandem helfen kannst, dann mach es – auch wenn du erst einmal nichts dafür bekommst. Und rechne auch nicht damit, dass du eine Gegenleistung erhältst. Mach es einfach. Vielleicht trifft man sich erneut und du benötigst Hilfe. Dann wird sich der andere an dich erinnern.“

Diese Geschichte, so finde ich, beschreibt ihn und seine Lebensmaxime sehr gut. In der Politik nennt man so etwas Solidarität. In der Kirche heißt es Nächstenliebe. Opa nannte es ganz einfach: „Eine Hand wäscht die andere“.

Mein Opa hat mir viel beigebracht. Das Fahrradfahren zum Beispiel. Das wirklich wichtige war allerdings was er durch sein eigenes Tun vermittelte. Ich werde seine Art zu Leben und auch seine Geschichten nicht vergessen.

Heinrich Bröker verstarb am 12. September 2011, einen Tag nach seinem 93. Geburtstag.