Mein Austritt aus dem Forum Demokratische Linke 21 e.V. – Die Linke in der SPD

Ich bin heute aus dem Forum DL21 ausgetreten. Die DL21 ist ein Verein, der den linken Parteiflügel der SPD repräsentiert.  Grund für meinen Austritt sind insbesondere Stellungnahmen bzgl. des Mindestlohns, aber auch der generellen Ausrichtung des Vereins. Meine Mail an den Vorstand:

Liebe Hilde,
liebe Genossinnen und Genossen,

hiermit trete ich aus dem Forum Demokratische Linke 21 e.V. zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus.

Die SPD ist immer dann am besten, wenn sie linke Politik macht. Wenn sie für linke Politik streitet und vor allem auch: wenn sie linke Politik umsetzt. Gut zehn Jahre lang habe ich, und natürlich ebenso viele weitere Genossinnen und Genossen, für den Mindestlohn gekämpft. An Infoständen, bei Podiumsdiskussionen oder auch virtuell in Online-Diskussionen. Vorkämpfer für den Mindestlohn waren insbesondere wir: die Linken in der SPD.

In den Tagen nach der letzten Bundestagswahl plagte mich vor allem ein Gedanke: Nicht schon wieder eine Große Koaltion, in der die SPD keine oder kaum linke Politik umsetzen kann! Mit großer Aufmerksamkeit verfolgte ich die Sondierungsrunden. Was uns Mitgliedern aber an konkreten Eckpunkten als Grundlage für die Mitgliederbefragung vorgelegt wurde, hat mich außerordentlich positiv überrascht. Es ist unserem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel und auch der damaligen Generalsekretärin Andrea Nahles gelungen, viele SPD-Inhalte zu verankern. Wohlgemerkt: bei einem Wahlergebnis von 25,7% (SPD) zu 41,5% (CDU/CSU). Auch die ersten Wochen und Monate der Großen Koalition erinnerten wenig an die letzte Große Koalition 2005. Ich stelle fest, dass es vor allem die SPD-Ministerinnen und -Minister sind, die den Koalitionsvertrag abarbeiten und SPD-Positionen umsetzen.

Eine Ministerin, die meiner Meinung nach besondere Beachtung finden muss, ist Andrea Nahles. Dass sie ein enorm hohes Arbeitspensum erfolgreich abgearbeitet hat, verdient Hochachtung. Andrea hat nicht nur sehr viel für die Parteilinke getan, sondern hat es auch geschafft, viele linke Inhalte gegenüber anderen Flügeln in der Partei durchzusetzen und ist auch standhaft gegenüber dem Koalitionspartner geblieben. Dass es marginale Ausnahmen vom Mindestlohn gibt (unter 18, Praktika, Langzeitarbeitslose), ist meiner Meinung nach vielleicht nicht die 100%ige reine Lehre, aber zu vernachlässigen, wenn man sich erneut das Wahlergebnis von 2013 anschaut. (Und zugegeben: Manche Argumente der Gegenseite für diese Ausnahmen kann ich auch nicht direkt vom Tisch wischen.)

Dass das Forum DL21 diesen Mindestlohn als „faulen Apfel“ bezeichnet, finde ich höchst unsolidarisch nicht nur Andrea gegenüber, sondern uns allen, die seit Jahren dafür gekämpft haben. Der Mindestlohn kommt! Spätestens zum 1. Januar 2017 für alle Beschäftigten über 18 Jahre! Dies ist ein enormer Erfolg der SPD!

Ich finde es ebenso äußerst unprofessionell, dass eine veröffentlichte Pressemitteilung vom Server genommen wurde, wo sie doch weiterhin per Google Cache verfügbar ist. Entweder wird eine Pressemitteilung veröffentlicht und man steht dazu oder man lässt es direkt sein ( http://forum-dl21.de/pm-ausnahmen-vom-mindestlohn-sind-unsozial/ ).

Ein weiterer genereller Punkt, der mich zu dem Austritt bewegt, ist die Themensetzung. Wenn man das 19. Jahrhundert als das Jahrhundert der Industrialisierung und das 20. als das Jahrhundert der Globalisierung bezeichnet, ist davon auszugehen, dass uns im 21. Jahrhundert vor allem die Digitalisierung prägen wird. Wir stehen momentan am Anfang des Prozesses. Unser Medien- und Kommunikationsverhalten ist schon recht digital, doch viele andere Bereiche des Lebens sind noch so wie sie vor 50 Jahren waren. Als Beispiel dient die Bildung: sieht man mal von Computer-Räumen und der Nutzung von Powerpoint-Präsentationen statt Folien bei der Vorstellung von Referaten ab, hat sich dort wenig getan. Hier wird sich, so oder so, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten viel ändern. Die Frage ist jedoch, ob die Politik diesen Prozess gestalten oder der digitalen Wirtschaft überlassen möchte. Doch nicht nur die Bildung und der Mensch wird digitalisiert – das Internet der Dinge schreitet voran und wird unseren Umgang mit Geräten, Objekten des täglichen Lebens nachhaltig ändern. Was heißt nun all das für die SPD? Was heißt es für linke Politik? Die Partei benötigt ein Konzept, eine Idee, vielleicht gar eine Vision, wie dieser unaufhaltsame Prozess so gestaltet werden kann, dass er sozialdemokratisch ist. Dass alle partizipieren können, dass dieser Prozess niemanden überrollt, dass die Zukunft gestaltet und nicht nur hingenommen wird – oder wie bei manchen Parteimitgliedern gar ignoriert wird; dies sind die Weichenstellungen der Zukunft. Dass die Parteilinke darauf keine Antwort hat und sich dem Thema nicht einmal widmet, finde ich äußerst schade. Natürlich, ich hätte als Mitglied dem Thema noch mehr Nachdruck verleihen können. Dies habe ich bereits aber mehrere Male getan, auf Interesse ist es jedoch nicht gestoßen.

Schade.

Bitte bestätigt den Erhalt der Nachricht und den Austritt kurz. Vielen Dank!

Mit den besten Grüßen und einem herzlichen Glückauf!
Henning