Mail an SPD-Landtagsabgeordnete in NRW bzgl. JMStV

Ich habe heute E-Mails an mehrere SPD-Landtagsabgeordnete in Nordrhein-Westfalen geschrieben, die ich (zumindest flüchtig) persönlich kenne. Grund für das Schreiben ist die geplante Zustimmung des Landesparlaments zur umstrittenen Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV).

Wie aus diversen Beträgen zu erkennen ist (Pottblog, Heise), plant die NRW-Landesregierung die Novelle des JMStV zuzustimmen. In einem persönlichen Anschreiben an einige Landtagsabgeordnete habe ich allgemingültige meine Kritikpunkte an der Neufassung erläutert. Hier ein Ausschnitt aus der Mail:

[…]

Die aktuelle Fassung vom März 2010 zur Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Schutz Kinder und Jugendlicher vor jugendgefährdenden Inhalten im Internet. Es wird vorgesehen, dass Internetseiten eine generelle Alterskennzeichnung erhalten sollen („ab 6 Jahren“, „ab 12 Jahren“, „ab 16 Jahren“, „ab 18 Jahren“). Für die Webseiten, die nur für Personen ab 16 und 18 Jahren zugänglich sein sollen, ist in der Novelle folgende Passage zu finden:

Wenn eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren zu befürchten ist, erfüllt der Anbieter seine Verpflichtung nach Absatz 1, wenn das Angebot nur zwischen 22 Uhr und 6 Uhr verbreitet oder zugänglich gemacht wird.

Dies bedeutet, dass entsprechende Internetseiten nur nachts zugänglich gemacht werden können. Die Regelung betrifft nicht nur kommerzielle Seiten, sondern faktisch jede (deutsche) Homepage – auch eure! Problematisch sind vor allem Blogs oder Seiten mit Inhalten, die durch den Website-Besucher erstellt werden (Foren, Kommentare, Gästebücher, „Web2.0“ Dienste). Laut dem vorliegenden Änderungsvertrag ist der Betreiber der Internetseite („Content-Provider“) auch für diese Inhalte verantwortlich – das Echtzeit-Medium Internet mit Echtzeitkommentaren wird somit ein juristischer Drahtseilakt für jeden Homepagebetreiber.

Ein Alterskennzeichnungsverfahren hat sich für statische Medien, wie Kino-Filme, DVDs oder Fernsehsendungen bewährt, ist aber für das dynamische Medium Internet mehr als ungeeignet. Dies hat auch die NRWSPD erkannt und hat mit folgendem Passus im Programm zur Landtagswahl Wahlkampf betrieben:

Im Rahmen der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) muss das berechtigte Ziel des Jugendschutzes in einen Einklang mit den Sorgen der Anbieter und Nutzer gebracht werden, die insbesondere frühere Entwürfe als realitätsfremd ansahen. Die NRWSPD wird sich aktiv an der Weiterentwicklung des JMStV beteiligen um einen Ausgleich zwischen allen Interessensgruppen zu erreichen. Hierbei ist es selbstverständlich – und bedarf keiner gesonderten Regelungen – dass die freie und unzensierte Struktur des Internets nicht beeinträchtigt werden darf und für verbotene Inhalte das Gebot „Löschen statt Sperren“ gilt.

[…]

Auch technisch gesehen ist eine Klassifizierung von Inhalten impraktikabel; der Zeitaufwand jenseits des Machbaren (ein dynamisches Medium in Echtzeit lässt sich nicht kategorisieren!). Das Sperren der Inhalte zwischen 6 und 22 Uhr in einem weltweiten Datennetz wirft bereits für Laien eine triviale Frage auf: Für welche Zeitzone gilt das? Entsprechende Sperrungen für Nutzer aus bestimmten Zeitzonen lassen sich technisch nicht nur „kinderleicht“ umgehen, sie sind – und das hat sogar die Bundesregierung mit Bezug auf die Aussetzung des ZugErschwG erkannt – keine Lösung für Probleme.

[…]

[Auch nach Abwägung der Argumente für die Ratifizierung] bleibt dennoch der Schluss, dass […] [die Ablehnung des Novelle] vor allem die Bürgerinnen und Bürger (und somit die Internetnutzerinnen und -nutzer, sowie Websitebetreiberinnen und -betreiber) vor unsinnigen Regelungen, die nichts zur Stärkung des Jugendschutzes beitragen, bewahrt. Die Stärkung der Medienkompetenz bei Kindern und Jugendliche ist ein wirksames Mittel – Ausführungen dazu würden den Umfang dieser Mail allerdings sprengen.

[…]

Ich hoffe, zumindest etwas dazu beigetragen zu haben, dass die Novelle dahin kommt, wo sie hingehört: in den Papierkorb.