Digitalpolitische Aussagen der Bewerberïnnen-Teams für den SPD-Parteivorsitz

Die SPD sucht aktuell eine neue Parteispitze. In dem umfangreichen Verfahren, das auch 23 Regionalkonferenzen beinhaltet, spielen digitalpolitische Fragen leider nur eine untergeordnete Rolle. Ich habe daher alle Kandierenden einige Fragen gestellt.

Da mir bewusst ist, dass alle Bewerberïnnen aktuell zeitlich sehr eingeschränkt sind, habe ich mich auf acht Ja/Nein-Fragen und zwei ausführlichere Fragen beschränkt. Dabei sind auch einige Themenfelder außen vor und andere, wie das Urheberrecht, sehr stark im Fokus. Mir war es wichtig, klare Positionen bei den in der SPD umstrittenen Punkten abzufragen. Bemerkenswert (aber vielleicht auch erfreulich?) ist, dass Antworten bei den Ja/Nein-Fragen sehr ähnlich sind. Dies sollte dann in Zukunft bei eben jenen Fragen auch die nötige Klarheit bringen.

Ich möchte mich ausdrücklich bei allen Teams bedanken, die sich die Zeit genommen haben, um diese Fragen zu beantworten. Leider haben die Teams

  • Klara Geywitz und Olaf Scholz,
  • Karl Lauterbach und Nina Scheer sowie
  • Petra Köpping und Boris Pistorius

keine Antworten eingereicht. Dies ist schade, denn: gerade bei denen, die nicht geantwortet haben, wäre aufgrund von vergangenen Aussagen eine klare Position spannend gewesen. Selbstverständlich reiche ich die Antworten sofort nach, sollten die Teams die Antworten noch nachliefern.

Die Reihenfolge der Teams entspricht der Eingangsreihenfolge der Antworten.

Weitere Informationen findet ihr ebenso auf meinem Twitter-Account. Informationen zum Bewerberïnnenprozess generell findet ihr auf unsere.spd.de.

Aus Platzmangel in den Tabellen verwende ich folgende Abkürzungen:

  • Ma/Hi: Hilde Mattheis & Dierk Hirschel
  • Schw/Ste: Gesine Schwan & Ralf Stegner
  • Es/WaBo: Saskia Esken & Norbert Walter-Borjans
  • Ka/Ro: Christina Kampmann & Michael Roth
  • Sche/Lau: Nina Scheer & Karl Lauterbach
  • Kö/Pi: Petra Köpping & Boris Pistorius

Update 26. September 2019:

Das Team Nina Scheer & Karl Lauterbach haben ihre Antworten nachgeliefert.

Update 27. September 2019:

Das Team Petra Köpping & Boris Pistorius haben ihre Antworten nachgeliefert.

1. Die Vorratsdatenspeicherung wurde 2015 sehr kontrovers innerhalb der SPD diskutiert. Auch Gerichte beschäftigen sich häufig mit ihr. Die Vorratsdatenspeicherung soll daher in Deutschland NICHT mehr angewandt werden.

Ma/HiSchw/SteEs/WaBoKa/RoSche/LauKö/Pi

Anmerkung Köpping/Pistorius: Nein. Bis zu einem Urteil des BVerfG bleibt die Frage offen.

2. Es soll eine Remix-Schranke eingeführt werden, sodass urheberrechtlich geschützte Werke legal und ggf. pauschal vergütet zur Schaffung neuer Werke herangezogen werden können.

Ma/HiSchw/SteEs/WaBoKa/RoSche/LauKö/Pi

Anmerkung Schwan/Stegner: Das Konzept ist uns noch zu wenig bekannt, um uns klar zu positionieren. In jedem Falle müssen aber Maßnahmen getroffen werden, um der Kreativität der Masse zur Entfaltung zu verhelfen, während professionelle Kreative gleichzeitig gestärkt werden.

3. Sicherheitsbehörden sollen die Befugnis erhalten, zur Online-Überwachung verdächtiger Personen Schwachstellen in elektronischen Geräten auszunutzen und bspw. Smartphones zu hacken.

Ma/HiSchw/SteEs/WaBoKa/RoSche/LauKö/Pi

Anmerkung Köpping/Pistorius: Ja, zur Abwehr und Verfolgung von schwersten Straftaten innerhalb der engen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

4. Betreiber sozialer Netzwerke sollen die Klarnamen hinter einem Pseudonym bei Registrierung erheben müssen, um diese bei Rechtsverstößen berechtigten Stellen mitteilen zu können.

Ma/HiSchw/SteEs/WaBoKa/RoSche/LauKö/Pi

Anmerkung Schwan/Stegner: Nein, aber! Die Meinungsfreiheit gilt uneingeschränkt, auch und gerade im Internet. Es muss aber sichergestellt sein, dass Menschen für ihre Aussagen die Verantwortung übernehmen, auch wenn diese in sozialen Netzwerken unter Pseudonym getätigt wurden. Dies ist aber auf andere Arten und Weisen besser zu erreichen als mit einer ebenso trügerischen wie irreführenden Klarnamenpflicht.

Anmerkung Köpping/Pistorius: Nein, aber wir müssen sicherstellen, dass sich Hass, Beschimpfung, Beleidigung nicht hinter Pseudonymen verstecken und Straftaten geahndet werden können.

5. Es soll einen aus Bundesmitteln gespeisten Fonds zur Förderung des Netzausbaus in ländlichen Gebieten geben.

Ma/HiSchw/SteEs/WaBoKa/RoSche/LauKö/Pi

Anmerkung Mattheis/Hierschel: JEIN. Der Markt versagt beim Netzausbau, daher ist ein Fonds, mit dem gezielt in ländlichen Gegenden der Ausbau von Glasfaser gefördert wird, sinnvoll. Allerdings müsste ein solcher Fonds an sehr klare Bedingungen geknüpft sein, damit sich die privaten Anbieter nicht wieder Rosinen rauspicken können und bauen, wo Förderung nicht nötig wäre.

6. Internet soll den gleichen Stellenwert haben wie die Grundversorgung mit Wasser und Strom.

Ma/HiSchw/SteEs/WaBoKa/RoSche/LauKö/Pi

Anmerkung Schwan/Stegner: Ja, aber! Wenn das in der Rechtspraxis bedeutet, dass Förderinstrumente mühsam und über Jahre umgestellt werden müssen und der Ausbau sich dadurch verzögert, sollten wir sehr vorsichtig damit umgehen. Der faktische Ausbau – das Kabel im Boden – muss immer Vorrang haben.

7. SPD-Mitglieder sollen sich online genau so beteiligen können wie offline. Dies beinhaltet die Möglichkeit, Anträge zu entwickeln und überregional einzubringen. Außerdem sollen online-basierte Themenforen auch (beratende) Delegierte entsenden dürfen.

Ma/HiSchw/SteEs/WaBoKa/RoSche/LauKö/Pi

8. Trotz kleinerer finanzieller Mittel muss die SPD massiv in den Ausbau ihrer eigenen digitalen Kommunikation investieren. Hier sind auch weitere Stellen innerhalb des Willy-Brandt-Hauses zu schaffen.

Ma/HiSchw/SteEs/WaBoKa/RoSche/LauKö/Pi

Anmerkung Köpping/Pistorius: Neutral, vorbehaltlich einer Prüfung.

9. Kein Thema neben dem Klimawandel mobilisierte die Jugend 2019 so sehr wie die EU-Urheberrechtsreform. Allein Ende März gingen gut 200.000 Menschen auf die Straße. Die SPD stand dabei zwischen den Stühlen und konnte ihre Position nicht klar machen und wurde auch deswegen bei der folgenden Europawahl abgestraft. Nach der Reform ist vor der Reform: Wie stellt ihr / wie stellst du dir ein Urheberrecht der Zukunft vor?

Das Urheberrecht der Zukunft muss es hinbekommen zum einen die Rechte der Urheber*innen zu schützen, private Remixe zu legalisieren und kommerzielle Remixe durch Pauschalvergütungen rechtssicher zu ermöglichen. Gleichzeit muss verhindert werden, dass die Abmahnindustrie neues Futter bekommt. Upload-Filter und ähnliches müssen verhindert werden.

Ein Urheberrecht der Zukunft muss Kreativität und Kreative schützen, und das in zweierlei Hinsicht: Es muss, erstens, professionelle Kreative als Urheber in ihrer Arbeit stärken; ihren Interessen gegenüber Internetplattformen wie Youtube oder Facebook Gewicht verleihen. So kann auch der Monopolbildung in diesem Bereich vorgebeugt werden. Zweitens muss das Urheberrecht der Zukunft gleichzeitig garantieren, dass sich die Kreativität der Masse frei entfalten kann. Das gebietet unter anderem der Respekt vor Netzkultur, die viele gerne in die sogenannte „digitale Welt“ abschieben, während die digitale Welt längst real und die reale Welt längst digital ist; das gebietet aber auch schlicht der fundamentale Wert von Meinungs- und Informationsfreiheit.
Neben dem Inhalt ist aber auch die Anmutung eines Urheberrechts der Zukunft zentral: Was nicht verständlich ist, dem wird viel zu oft zugestimmt, ohne es zu durchdringen – ein unhaltbarer Zustand in der heutigen Zeit.

Die im Netz aktiven, überwiegend jüngeren Menschen sind empört und enttäuscht, und wir können das sehr gut verstehen. Sie haben sich empört, dass Politiker ihre Welt zu regulieren versuchen, die sich nicht im Ansatz verstehen. Sie haben sich empört, weil man sie als Bots verunglimpft und als bezahlte Google-Lobby beschimpft hat. Am Ende haben auch wir sie enttäuscht, weil wir mit Art. 13/17 und den uploadFiltern einer Regelung zugestimmt haben, die wir zuvor kategorisch ausgeschlossen hatten. Nichts ist schwerer, als verloren gegangenes Vertrauen wieder zu gewinnen, aber das wird ein besonders harter Brocken. Wir müssen Gespräche anbieten, aber vor allem müssen wir gute Politik nicht nur vertreten, sondern auch standhaft umsetzen.

Es ist und bleibt notwendig, das Urheberrecht so reformieren, dass es den Wert und die faire Vergütung kreativer Arbeit gewährleistet und stärkt und für neue Formen des Kulturschaffens offen ist und gleichzeitig die Meinungs- und Informationsfreiheit gewährleistet. Tiemo Wölken hat es vorgemacht: Die SPD hat dafür gemeinsam mit Kreativen und Netzaktivisten gute Konzepte erarbeitet und vorgelegt, für die wir auch weiterhin Überzeugungsarbeit leisten und Mehrheiten gewinnen müssen.

Uploadfilter sind fehleranfällig und teuer. Außerdem ist die Gefahr für Zensur zu hoch, sodass wir Uploadfilter ablehnen. Ein modernes Urheberrecht schützt Künstler*innen, indem es auf ökonomisch tragfähigen Säulen steht. Der Schutz und die Stabilisierung von existenzsichernder Arbeit für Urheber*innen, muss durch das Urheberrecht genauso gewährleistet werden, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Informationsfreiheit in der digitalen Welt. Wir setzen auf angemessene und faire Vergütung unter Einbeziehung der Plattformen, lehnen aber das problematische Instrument der Uploadfilter als unverhältnismäßig ab.

Ein Urheberrecht der Zukunft gewährleistet die Nutzbarkeit mit Zahlungspflicht. Letzteres ist für Leistungen der Kunst, Kultur, aber etwa auch die Medienvielfalt und investigativen Journalismus unabdingbar. Wer Vielfalt möchte, muss Urheberrechte schützen. Es gilt somit, die Freiheit im Netz über Vergütungssysteme zu ermöglichen. Hierfür muss Politik Rahmen und Anreize setzen. Uploadfilter sind für uns dafür kein taugliches Instrument.

Ob ein direkter Zusammenhang zwischen der Urheberrechtsreform und dem Ausgang der Europawahlen bestand oder wie große der Effekt am Ende war ist nicht klar. Unabhängig davon muss ein Urheberrecht in erster Linie dafür Sorge tragen, dass Urheber*innen, Kreative, Künstler*innen von ihrer Leistung leben können und angemessen vergütet werden. Das beinhaltet eine ganze Reihe von Faktoren, wie soziale Absicherung, kulturelle Wertschätzung und eben auch Vergütungsmodelle und deren Durchsetzung.
Wir müssen aber mit technischem Sachverstand und mit Verhältnismäßigkeit agieren. Ob Uploadfilter diesen beiden Kriterien entsprechen kann auch angezweifelt werden. Wir setzen uns für eine europäische Urheberrechtsreform im Dialog mit Plattformen, Nutzern und Künstlern ein.

10. Die Digitalisierung verändert unser Zusammenleben in allen Lebensbereichen. Wie sollte die Sozialdemokratie mit der Digitalisierung umgehen? Was sollte die Antwort der SPD sein und welche digitalpolitischen Themen sollten mit Priorität angepackt werden?

Wie jedes Thema hat Digitalisierung Vor- und Nachteile. Wir sollten die Bereiche, die uns gesamtgesellschaftlich Vorteile bringen, stärken und Nachteile (Stichwort: Überwachung, digitale Kriegsführung u.ä.) versuchen zu minimieren. Das wird nicht immer einfach, klar. Ein Schwerpunkt muss es sein, die digitale soziale Spaltung, die sich aus der realen Welt im Netz überträgt, zu bekämpfen. Dafür sind die Themen Bildung und Medienkompetenz ganz wichtig, sprich Aufstieg durch Bildung auch im Internet! Als Partei der Arbeit sollte Digitalisierung am Arbeitsplatz ein weiterer Schwerpunkt sein. Auch hier gibt’s Chancen und Risiken: Einer Entgrenzung von Arbeit und dauerhaften Erreichbarkeit müssen wir mit intelligenten Arbeitszeitmodellen begegnen. Dabei ist das Stichwort Home Office wichtig. Sie kann sinnvoll sein, führt aber nicht automatisch zu besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Lebenslanges Lernen und Weiterbildung sind wichtig, um auch die digitale Kluft am Arbeitsplatz zu schließen.

Kernauftrag muss sein, die Risiken der Digitalisierung für die Allgemeinheit durch politisches Handeln zu minimieren, um so gleichzeitig zu ermöglichen, dass die Allgemeinheit die Digitalisierung nicht als heranziehende Katastrophe wahrnimmt, sondern als das, was sie ist: Eine Chance, die man ausgestalten kann und muss.
Ansonsten wurden in der Grundwertekommission der SPD erst vor Kurzem sozialdemokratische Handlungsschwerpunkte in Sachen Digitalisierung definiert, die zu ihrer Geltung kommen sollten: „In Zeiten der Digitalisierung verändern sich die Bedingungen für ein solidarisches Miteinander in vielfacher Hinsicht. Zum einen entwickelt sich das z.T. durch Algorithmen gesteuerte „Scoring“ von Menschen zu einer Gefahr für ihre Autonomie und für ihre gegenseitige solidarische Sicherung. Hier brauchen wir klare Regulierungen. Angesichts sich parzellierender Öffentlichkeit, der Entbetrieblichung der Arbeit, der veränderten Anforderungen an den Sozialstaat und eines wirkmächtigen libertären Diskurses wird Solidarität gleichzeitig schwieriger und notwendiger. Die Tatsache, dass durch die strukturellen Probleme, die die Digitalisierung hervorruft, der Wohlfahrtsstaat unterwandert werden kann, zumal wenn alternative libertäre Modelle bereits vorliegen, zeigt wie wichtig es ist, dass die Sozialdemokratie die Idee der gesellschaftlichen Solidarität und ihre Institutionalisierung in Zeiten der Digitalisierung neu denken muss. Der technologische Wandel erfordert mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn seine Möglichkeiten breit genutzt und die Gefahren kollektiv abgesichert werden sollen. Die libertären Konzepte eines „jeder für sich selbst“ sind aber schon weit gediehen.“ Dies zeigt die Jahrhunderte alte Einsicht, dass allein institutionelle Regulierungen nie reichen bzw. „wasserdicht“ sind. Sie müssen zugleich durch kulturelle Regeln, also das subjektive Verhalten und die Normen der Bürgerinnen und Bürger unterstützt werden.
Zu bedenken ist für die Sozialdemokratie auch, dass eine intelligente, vom Staat unterstützte Digitalisierung der Industrie dazu beiträgt, die gefährliche Deindustrialisierung zu vermeiden, wie sie in den angelsächsischen Ländern stattgefunden und die dortigen Gesellschaften gespalten hat.

Die digitale Zukunft ist schon da, sie ist nur noch nicht gerecht verteilt. Dieses leicht abgewandelte Zitat von William Gibson gibt unserer Digitalpolitik die Richtung vor. Es kommt darauf an, dass wir den digitalen Wandel so gestalten und die emanzipative Kraft der Digitalität so nutzen, dass alle Menschen selbstbestimmt und kompetent daran teilhaben können. Die SPD muss wieder zum Anwalt der Menschen werden und sie mit starke Bürger- und Verbraucherrechten, Arbeitsschutz- und Beteiligungsrechten davor schützen, zum Objekt durchgängiger, ständiger Bewertung und Überwachung und damit letztlich zur Ware zu werden.

Der Zugang zu schnellem und sicherem Internet für alle muss staatliche Aufgabe sein und so selbstverständlich wie der Zugang zu sauberem Wasser. Damit die Menschen die Potenziale der digitalen Welt nutzen und den Herausforderungen souverän begegnen können, brauchen sie digitale Bildung, für die Schulen und außerschulische Bildungseinrichtungen gemeinsam Verantwortung übernehmen müssen. Die berufliche Bildung muss in der digitalen Welt so organisiert werden, dass Berufsabschluss, Anschluss- und Berufsfähigkeit immer wieder erneuert werden, ein Leben lang.

Staat und Gesellschaft müssen in ihrer digitalen Infrastruktur souverän werden und Abhängigkeiten von monopolartigen Dienstleistern brechen. Jetzt wo die großen Plattformen von der Datenschutzseite in Verruf und unter Druck geraten, ist es endlich an der Zeit, öffentlich-rechtliche Plattformen für Vernetzung und Austausch in der Zivilgesellschaft, für digitale Bildungsangebote und Gemeinwohlprojekte und für offen nutzbare Datenpools (open Data, geteilte Daten) aufzubauen.

Wichtig ist, dass wir die Digitalisierung als gestaltbaren sozialen und politischen Prozess verstehen. Wir wollen die Menschen in unserem Land zu Treibern der Digitalisierung machen, nicht zu Getriebenen. Der digitale Wandel muss chancenorientiert gestaltet werden, Forschung und Entwicklung unterstützt werden. Wir wollen die Menschen zur digitalen Selbständigkeit befähigen. Konkret wollen und müssen wir jetzt die Zukunft der Arbeitswelt gestalten: Mobiles Arbeiten, Recht auf Weiterbildung, persönliches Chancenkonto und die Verkürzung von Arbeitszeit dort, wo Digitalisierung den Arbeitsalltag von Arbeitnehmer*innen erleichtert, die Wertschöpfung aber die gleiche bleibt. Wir wollen große Digitalkonzerne endlich vernünftig besteuern und die digitale Infrastruktur auf Weltniveau bringen. Gleichzeitig darf Digitalisierung nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft führen und die Gräben zwischen Arm und Reich weiter aufreißen. Deswegen werden wir ein Onlinegeld einführen, welches den Internetzugang auch für niedrige Einkommen ermöglicht. Der Zugang zur digitalen Teilhabe wäre damit Teil der Daseinsfürsorge. Wir brauchen ein Recht auf ein schnelles Netz.

Digitalisierung erfordert entsprechende Netze und einen gleichberechtigten Zugang für alle zu diesen Netzen. Diese Voraussetzung erfüllt Deutschland noch nicht. Weder sind die Netze schnell genug noch sind die Zugänge für alle in gleicher Weise möglich. Unterschiede gibt es etwa hinsichtlich Metropole vs. Peripherie oder arm vs. reich. Wir sehen digitale Infrastruktur als Teil der Daseinsvorsorge. Bei Leistungen der Daseinsvorsorge sorgt der Staat für die Versorgung auch dann, wenn mit der Versorgung kein Profit gemacht werden kann. Das zeichnet staatliche Verantwortung und gleichberechtigten Zugang sowie Chancen und Teilhabe aus. Deswegen gehört auch die digitale Infrastruktur in öffentliche Hand. Die Vergabe von Frequenzen zum Ausbau von Netzen halten wir für den falschen Weg. Die Digitalisierung der Arbeitswelt schreit förmlich nach einer starken Sozialdemokratie, die für faire Arbeitsbedingungen sorgt. Wir müssen uns um eine Neugestaltung der Arbeitsverhältnisse kümmern, die den Wandel berücksichtigt und bisherige Schutzfunktionen bewahrt. D.h. Standards aus Arbeitsrecht, Sozialversicherungssystem und Mitbestimmung müssen in die Zukunft transportiert werden. Und wir müssen einen neuen Arbeitnehmerbegriff definieren, der für die digitale Transformation tauglich ist. Es gilt, neue Gruppen wie CrowdworkerInnen in den Schutz einzubeziehen, der bislang am Arbeitnehmerbegriff festgemacht war.

Das Schlagwort „Die Digitalisierung“ wird der Komplexität des Themas nicht gerecht. Wir reden hier von unterschiedlichen Effekten und auf unterschiedlichen Feldern, die man nicht eben mal in drei Sätzen runterschreiben kann und wer behauptet, er oder sie hätte „die Antwort der SPD“ steht zumindest in dem Verdacht hochzustapeln. Umso wichtiger sind Initiativen, wie D64, die sich in Tiefe mit den Themen auseinandersetzen. Auf die darf gerne etwas mehr gehört werden. Sozialdemokrat*innen sollen sozialdemokratische Dinge tun. Also darauf achten, dass es frei, gleich und solidarisch vor sich geht.