Karl-Theodor zu Guttenberg: Der Superstar?

In den letzten Wochen gab es eine starke Polarisierung in der Debatte um den ehemaligen Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Viele sprachen gar von einer Politisierung; Menschen interessieren sich endlich wieder für Politik. Doch mit Politik hatte die Debatte wenig zu tun. Den Entfremdungsprozess zwischen Bevölkerung und Politik konnte zu Guttenberg in den letzten Monaten nicht beenden, sondern nur verdrängen. Dies zeigt sich jetzt in der Debatte um seinen Rücktritt: Es geht um Starkult – notwendige Rationalität sucht man vergebens.

Man stelle sich einen Moment vor, statt Freiherrn zu Guttenberg hätte Dr. Guido Westerwelle in seiner Doktorarbeit plagiiert. Als unbeliebter Politiker hätte er sich, nicht nur aus den Medien, der Politik und der Wissenschaft, Vorwürfe anhören müssen. Im Gegensatz zu Frhr. Karl-Theodor zu Guttenberg wären auch aus der Bevölkerungen wüsste Beschimpfungen gekommen, ganz im Sinne des typischen Politikerverdruss: So sind sie halt, die Politiker – Betrüger!

Doch Politikerinnen und Politiker sind nichts anderes als Maurerinnen und Maurer, Kassiererinnen und Kassierer, Lehrerinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte: Menschen. In den letzten Jahren wurde, auch durch die Medien befördert, das Bild der typisch grauen Politikermasse geschaffen. Der „Homo Politicus“ ist langweilig, schlechtaussehend, korrupt, machtbesessen, mäßig intelligent, streitsuchend und berechnend. Durch die wöchentlichen Sonntagsfragen (Umfragen zum politischen Stimmungsbild) und der ständigen Suche nach Skandalen oder „großen Streitigkeiten“ innerhalb von Parteien konnte dieses Bild weiter zementiert werden. Doch dann kam er: die Lichtgestalt. Der Andere. Der Gutaussehende. Der Unabhängige. Der Integere. Der Freiherr. Der Erlöser.

Medien jeder Coleur stilisierten ihn zum Anti-Politiker, und Frhr. Karl-Theodor zu Guttenberg half kräftig mit. Er gefiel sich in seiner Rolle, machte beispielsweise wunderbare Bilder als Kosmopolit oder als bodenständiger bodensitzender Truppenleiter. Er schlug bis zum Schluss in die Kerbe des Politikerverdruss und sagte selbst in seiner Abschiedsrede:

Nun wird es vielleicht heißen, der Guttenberg ist den Kräften der Politik nicht gewachsen. Das mag sein oder nicht sein. Wenn ich es aber nur wäre, indem ich meinen Charakter veränderte, dann müsste ich gerade deswegen handeln. […] Abschließend ein Satz, der für einen Politiker ungewöhnlich klingen mag.

In den letzten Tagen habe ich einige Gespräche mit Guttenberg-Fans geführt und bei Facebook konnte man den Personenkult ebenfalls erleben. Doch interessant ist, dass es wenig politische Argumente für den Freiherrn gibt.

„Politische Verdienste!“

Karl-Theodor zu Guttenberg hätte, so seine Befürworter, politisch viel erreicht. Fragt man genau nach, was das denn sei, erhält man wenig konkrete Antworten. Es ist richtig, dass zu Guttenberg eine Bundeswehrreform angestoßen hat. Dafür bin ich ihm – und dies ist kein Sarkasmus – auch wirklich dankbar. Leider hat er, und dies muss man auch sagen, sie nur angestoßen. Konkrete Ausgestaltungen hat er jedoch nicht vorgenommen, damit wird nun der neue Bundesverteidigungsminister de Mezière zu kämpfen haben. Frhr. Karl-Theodor zu Guttenberg war auch der erste, der von „Krieg“ in Afghanistan sprach. So ganz stimmt es zwar nicht (er sagte, man könne „umgangssprachlich“ von Krieg sprechen – verständlich, um juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden), dennoch auch hier ein Punkt für zu Guttenberg. Mehr fällt mir allerdings nicht für die Haben-Seite ein (gerne lasse ich mich durch Kommentare von neuen Argumenten überzeugen). Fehler hat der ehemalige Verteidigungsminister zu genüge gemacht: In der Kundus-Affäre hat er seine Meinung so oft gewechselt wie andere Menschen ihre Unterwäsche und es hat zwei Bauernopfern den Job gekostet, bei dem Todesfall auf der Gorch Fock hat er sich durch die BILD-Zeitung treiben lassen und den Kapitän suspendiert (obwohl dieser nachweislich nicht fehlerhaft gehandelt hat). Fazit: Unentschieden.

„Karl-Theodor zu Guttenberg ist glaubwürdig!“

Auch dieses Argument ist für mich nicht nachvollziehbar. So soll er durch seine wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit zu seinem Wort gestanden haben. Dies kann ich so nicht erkennen. Beispiel: Zu seiner Zeit als Wirtschaftsminister in der Großen Koalition hat er sich klar gegen eine Rettung des angeschlagenen OPEL-Konzerns bekannt. Es sei dahin gestellt, ob er dies tat, weil die Mehrheit der Bevölkerung gegen eine staatliche Rettung war. Der damalige Wirtschaftsminister sagte sogar, er werde zurücktreten, falls dem Konzern doch geholfen werden. Diesen Schritt gab es bekanntermaßen nicht. Auch die Salami-Taktik nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe spricht nicht gerade von Glaubwürdigkeit. Zu Beginn waren die Vorwürfe „abstrus“, dann gab er „kleinere Fehler“ zu, dann sagte er, es stünde zugegbenermaßen doch viel „Blödsinn“ in seiner Dissertation. Von Blödsinn bei einer Arbeit zu sprechen, in der viele Inhalte einfach nur kopiert waren, ist beschämend gegenüber den eigentlichen Urhebern der Textpassagen.

„Jeder hat schon einmal bei einer Klassenarbeit geschummelt!“

Ja, das mag stimmen. Hier werden aber Birnen mit Äpfeln verglichen. Eine Doktorarbeit, die, so wie nach Angaben von Frhr. Karl-Theodor zu Guttenberg geschehen, über sieben Jahre geschrieben wurde, ist nicht mit einer Klassenarbeit zu vergleichen. Es geht hier um einen wissenschaftlichen Grad, der durch Vortäuschung falscher Tatsachen erschlichen wurde. Vergleiche mit anderen Straftaten sind immer schwierig und möchte ich hier nicht anführen. Klar ist aber, dass es sich nicht um Falschparken oder bei „Rot über die Ampel gehen“ handelt. Menschlich enttäuschend ist zudem, dass er sein Vergehen in keiner Form erkennt. Er spricht weiterhin von „Fehlern“, die in seiner Doktorarbeit zu finden sein. Nein, dies sind keine Fehler. Ganze Textpassagen sind eins zu eins kopiert (selbst Fehler wurden übernommen). Ehrlich und zutreffend wäre der Satz: „Ich habe meine Universität und folglich auch die Menschen in Deutschland betrogen, indem ich mich mit fremden Federn geschmückt habe“.


Eine Anruferin beim Radio „Fritz“ über den Rücktritt von zu Guttenberg. Das Fehlen wirklicher Argumente ist hier deutlich. Sicherlich ist dies aber auch ein Extrembeispiel.

Freiherr Karl-Theodor zu Guttenberg ist nur ein Politiker und somit auch nur ein Mensch. Ein Mensch, der einen riesigen Fehler gemacht und sich dessen erst einmal bewusst werden muss. Er ist kein politisches Talent, sondern ein ziemlich normaler CSU-Politiker, der eine gute Ausstrahlung und Charisma hat (nein, dies meine ich nicht ironisch, sondern sicherlich Eigenschaften, die mehr Politikerinnen und Politiker haben sollten). „Deutschland sucht den Super-Politiker“ hatte zwar hohe Einschaltquoten, das Konzept darf aber als gescheitert bezeichnet werden.

Das schlimmste, was man wohl über ihn sagen kann, aber wir alle wahrhaben sollten, ist, dass er ziemlich durchschnittlich ist. Und dies beinhaltet nicht einmal die Plagiatsaffäre, denn das macht ein durchschnittlicher Mensch nicht.