Volumenbeschränkter Internetzugang darf kein Zukunftsweg sein!
Auf netzpolitik.org haben Marc Jan Eumann und Konrad Lischka sieben Thesen zum Peering und zur Netzneutralität veröffentlicht. Etwas verklausuliert halten sie z. B. die Nutzung von Volumentarifen statt Flatrates im Festnetz für okay – doch dies würde unser aller Online-Verhalten massiv einschränken. Vor allem dann, wenn sog. „Spezialdienste“, die nicht frei verfügbar sind, gefördert würden.
Bevor ich auf den zentralen Kritikpunkt eingehe, möchte ich erst einmal die Inhalte der sieben Thesen paraphrasieren, da es beim ersten Lesen nicht klar werden könnte, was eigentlich gemeint ist:
1. These:
Da Privathaushalte nicht gleichzeitig mehrere Zugangsanbieter austesten können, können sie auch nicht wirklich vergleichen, welcher Anbieter bestimmte Dienste drosselt oder besonders schnell anbietet.
2. These:
Überblick über Funktionsweise des Internets; warum Vielfalt durch Ende-zu-Ende-Prinzip wichtig ist.
3. These:
Argumentation, warum volumenbeschränkter Internetzugang „nicht problematisch“ sei. Zugangsanbieter soll Angebote differenzieren.
4. These:
Netzneutralität im Internet ja, aber Stärkung von private Networks bzw. anbieterbezogenen Dienste wie T-Entertain (wo es dann eben keine Netzneutralität mehr gäbe).
5. These:
Warum es keine einzelnen Verträge von Inhalteanbietern und bestimmten Access-Providern geben sollte (Intransparenz) und wieso T-Entertain ein Spezialdienst sei, für den keine Netzneutralität existieren müsse.
6. These
Fortführung der fünften These, Kostentransparenz bei Peering.
7. These
Eigentlich keine These, sondern hier wird die Frage aufgestellt, ob auch Content-Provider in den Markt des Ausbaus der Endkundenanschlüsse einsteigen sollten.
Marc Jan Eumann (Staatssekretär in NRW) und Konrad Lischka (Referent Staatskanzlei NRW, früher Redakteur bei Spiegel Online) beschreiben richtigerweise, dass der Bruch der Netzneutralität das Internet, so wie wir es kennen, negativ verändern würde und Innovationen hemmen könnte. Jedoch beschreiben sie bereits in der 2. These einen Fakt, den es (leider) so nicht gibt:
Den Übermittlern der Datenpakete ist es nicht möglich, einzelne Anwendungen an den Endpunkten des Netzes auszuschließen.
Genau dies geschieht aber bereits täglich. Besonders im Mobilfunknetz werden Inhalte gesperrt (VoIP-Dienste). Deep Package Inspection und – viel schlimmer noch – Statistical Package Inspections gehören zur Internetrealität.
In der dritten These werden volumenbasierte Tarife als „nicht problematisch“ angesehen. Aus Sicht der Netzneutralität ist dies richtig (wenn alle Inhalte dann gleich gedrosselt werden). Eine Volumenbeschränkung kann aber niemand wollen! Diese Beschränkungen sind aus dem Mobilfunkbereich bekannt: nach 300, 500 oder 1000 MB ist, je nach Tarif, Schluss mit Highspeed-Internet. Danach ist das Abspielen von Videos oder das Laden von nicht mobil-optimierten Seiten nicht mehr möglich. Wenn viele Kundinnen und Kunden ein ähnliches Prinzip bei ihrem Festnetz-Internet erleben, so entsteht bei den Nutzer/innen der Druck, datenintensive Dienste gar nicht mehr zu nutzen – allein aus Angst, die Inklusivdatenmenge aufzubrauchen und den Rest des Monats keinen (wirklich funktionalen) Internetzugang mehr nutzen zu können. Dies hemmt ebenso innovative wirtschaftliche Online-Dienste, die auf Kundinnen und Kunden verzichten müsten.
Umso problematischer sind in diesem Zusammenhang die nachfolgenden Thesen. Es wird sehr lobend über zugangsbeschränkte Dienste wie T-Entertain gesprochen. T-Entertain ist Live-TV mit On-Demand-Diensten der Deutsche Telekom, die nur von Kundinnen und Kunden der Telekom genutzt werden können. Wenn die Netzneutralität gilt und keine Volumenbeschränkungen vorliegen, ist dagegen erst einmal nichts zu sagen. Aber genau damit soll gebrochen werden. Wenn der Zugang zum Internet volumenbeschränkt ist, T-Entertain aber ohne Limit genutzt werden kann, ergibt sich eine enorme Schieflage. Die Telekom kann in diesem Fall ihre Monopolmacht für die Leitungen im Endkundenmarkt zu ihren Gunsten nutzen. Videos anderer Mediatheken oder Streaming-Anbieter können nach dem Überschreiten der Volumengrenze nicht mehr angesehen werden, die von T-Entertain jedoch schon. Die Benachteiligung anderer Content-Provider wäre enorm. Aber nicht nur Inhalteanbieter wären benachteiligt, sondern auch kleinere/mittlere Internetzugangsanbieter (Access-Provider) hätten das Nachsehen: sie können aus wirtschaftlichen Gründen eben kein eigenes „T-Entertain“ anbieten. Zwar schreiben Eumann und Lischka, T-Entertain sei ein Dienst, der nur Inhalte exklusiv anbieten würde (These 5), die so im Netz nicht existieren (um damit auch medienregulatorische Probleme zu umgehen), die Realität sieht aber durch die On-Demand-Angebote von Entertain anders aus. Die Frage ist auch, ob eine Trennung von Live-TV als eingenständiges Angebot und dem „restlichen Internet“ heutzutage – im Zeitalter von TV-Streams auf Webseiten der Sender – noch sinnvoll ist.
Ferner muss betont werden, dass das von der Telekom häufig vorgebrachte Argument, Volumen sei teuer zu transportieren, so einfach nicht stimmt. Auch die in These 5 genannten „Spezialdienste“ sind keine Spezialdienste und müssen nicht von dem Internet abgekoppelt werden. Dies gilt insbesondere für die Telekommunikationsdienste (die natürlich Telekokommunikationsanbieter, siehe Verbot von VoIP im Mobilfunknetz, ein Dorn im Auge sind). Alvar Freude hat sich dem Thema etwas detaillierter gewidmet.
Abschließend lässt sich feststellen, dass Volumenbeschränkung mit gleichzeitiger Förderung von „Spezialdiensten“ nur großen Telekommunikationsunternehmen hilft. Es wäre Gift für die Internet-Wirtschaft und würde viele Endkundinnen und Endkunden frustrieren.
Foto: Snail – CC-BY 2.0 Eirien https://www.flickr.com/photos/96584021@N05