Apples ResearchKit – ein fast unbemerkter Meilenstein für die Forschung

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Zeitungen und Blogs diskutierten in den letzten Tagen ausgiebig, ob die Apple Watch zu teuer ist und ob man diese überhaupt benötigt. Doch der wahre Game Changer bei dem Apple Event am Montag war etwas anderes: Das ResearchKit ist ein erheblicher Durchbruch für die (medizinische) Forschung. Auf einmal können Millionen von Menschen, wenn sie es denn wollen, einen Beitrag für die Erforschung von Krankheiten leisten.

Seit dem letzten Update des mobilen Betriebssystem, iOS 8, bündelt Apple Informationen der internen Sensoren des iPhones in einer App („Health“), die durch das sog. HealthKit-Framework ermittelt werden. Dies sind etwa die zurückgelegten Schritte am Tag oder die Stockwerke, die der/die Nutzer/in hoch oder herunter ging. Gekoppelt mit externen Geräten, wie Blutzuckermessgeräte mit Bluetooth, können so Gesundheitsinformationen zusammengefasst angezeigt werden. Apple hat das riesige Potential dieser Daten erkannt und macht einen sehr lobenswerten Schritt: Das Unternehmen will dabei helfen, die Daten zu aggregieren und für medizinische Forschung bereitzustellen.

Mit ResearchKit unzählige Datenmengen innerhalb von Stunden sammeln

Dazu hat Apple am vergangenen Montag das entsprechende Framework ResearchKit vorgestellt, das in der aktuellen Ausgabe des Betriebssystem iOS 8.2 integriert ist. Vorab sei gesagt: Niemand muss mitmachen; keine Daten werden ohne explizite Zustimmung irgendwie verwendet. Um genau zu sein, muss man sich erst für bestimmte medizinische Forschungen anmelden und qualifizieren (momentan z. B. nur in den USA, über 18 Jahre alt sein, etc.). Ist dies jedoch geschehen, ist das ResearchKit ein tatsächlicher Game Changer; dies ist wohl das positivste Beispiel für die Nutzung von Big Data. Es können Daten erfasst und ermittelt werden, bei denen früher überhaupt keine Korrelation vermutet wurde. Natürlich muss man festhalten, dass iPhone-Besitzerinnen und -Besitzer nicht den Querschnitt der Bevölkerung darstellen. Andererseits können nun auch Menschen teilnehmen, die in abgelegenen Teilen eines Landes wohnen und von einer Forschungseinrichtung zu weit entfernt wären. Die Teilnahmebereitschaft ist innerhalb der ersten Tage enorm: 11.000 Leute haben bereits bei einer Herzstudie mitgemacht – innerhalb von 24 Stunden! Um auf eine ähnliche Zahl zu gelangen, werden 50 medizinische Einrichtungen in den USA und ein Jahr Zeit benötigt. Auch bei einem entsprechenden Programm zur Parkinson-Forschung haben über 7.000 Menschen sich in das Programm eingeschrieben und dies sogar innerhalb von 24 Stunden nach Veröffentlichung der App.

Dauerhafte und objektive Messung von medizinischen Werten

Eins der größten Probleme bei medizinischen Studien ist das Finden von freiwilligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Rückmelderate bei direkter Ansprache per Anschreiben sind äußerst gering, die Stichprobengröße ist häufig recht klein. Ebenso sind Angaben meistens sehr subjektiv, sowohl auf der Seite der Teilnehmerschaft („Wie beurteilen Sie die Symptome in der letzten Woche?“), als auch bei der Ermittlung von Ergebnissen. Apple zeigt in seiner Keynote ein Beispiel, in dem Parkinson-Erkrankte 20 Schritte gehen sollte und dann von dem medizinischen Personal eingetragen werden sollte, wie gerade oder kurvenreich die Person dabei voranschritt (auf einer subjektiven Skala von 0 bis 5). Ein iPhone verwendet Sensoren, die genau bestimmen können, ob ein Mensch geradeaus geht oder wie stark diese Abweichungen sind. Ebenso können nicht nur 20 Schritte in einer medizinischen Einrichtung untersucht werden, sondern quasi jeder Schritt, den er oder sie täglich macht. Dies ist ein weiterer Vorteil gegenüber der klassischen Studien: Statt den Probanden nur an einigen Tagen im Monat oder gar Jahr untersuchen zu können, kann dies mit einem Smartphone (oder Smartwatch) permanent geschehen.

ResearchKit ist Open Source

Apple ging bei ResearchKit einen ungewöhnlichen, sehr positiven Schritt. Das gesamte ResearchKit-Framework wird als Open Source veröffentlicht. Dies bedeutet, dass der Quellcode frei verfügbar sein wird (ab April 2015). Dadurch kann das System nicht nur unabhängig getestet werden, es können auch Anwendungen für andere Geräte (Android, Windows Phone, etc.) entwickelt werden. Apple betont ebenfalls, dass die Daten, die über ResearchKit gesammelt werden, von Apple nie gesehen werden kann. Auch das kann dann bei einem Blick in den Quellcode überprüft werden.

Persönliche Einschätzungen entfallen – vorerst

Es gibt selbstverständlich auch Risiken und Nachteile: Innerhalb einer App können Falschangaben über die eigene Person getroffen werden, die bei einem Besuch vor Ort direkt auffallen würden (Altersangabe, Körpermaße, etc.). Ein persönliches Gespräch ist häufig durch nichts zu ersetzen, aber auch hier kann es ggf. in Zukunft Workarounds wie Videochats geben.
Ebenso muss seitens Apple sichergestellt werden, dass tatsächlich nur Forschungseinrichtungen entsprechende Apps anbieten. Problematisch können hier natürlich Einrichtungen stehen, die quasi hauptsächlich von einem Unternehmen finanziert werden.

ResearchKit macht Big Data für die Forschung einfach zugänglich

Apples ResearchKit eröffnet der Wissenschaft und Forschung ein riesiges Tor in die Welt von Big Data. 700 Millionen iPhones hat Apple bereits verkauft. Selbst wenn nur 1% davon an einer Studie teilnehmen würden, wäre dies eine Stichprobengröße, die sonst nie oder nur selten erreicht werden könnte. Sicherlich wird das gesamte Potential erst in einigen Jahren erreicht sein, wenn Geräte noch mehr Sensoren enthalten. Die Apple Watch sollte z. B. auch den Blutdruck messen können – dieses Feature wurde jedoch vorerst entfernt und könnte in künftigen Generationen zum Einsatz kommen. Ebenso könnte das ResearchKit auch jenseits der medizinischen Forschung helfen – auch die Psychologie, Sozialwissenschaft, Informatik, u. v. m. könnten davon profitieren. Big Data für die Forschung war niemals einfacher zu bekommen. Liebe Forschungseinrichtungen, macht was draus!